Der Übergang von der Kita in die Grundschule

Warum die partizipative Gestaltung dieser Transition wichtig ist und wie sie gelingen kann

Der Übergang von der Kindertagesbetreuung in die Grundschule bildet eines der neuen Schwerpunktthemen unseres Begleitprojekts „Demokratie und Vielfalt in der Kindertagesbetreuung“ innerhalb des Bundesprogramms „Demokratie leben!“. Hintergrund sind die Erfahrungen und Erkenntnisse aus der vorherigen Projektphase, die der Artikel zum Schwerpunktthema im April 2019 aufgreift und die das Thesenpapier „Wir sind politisch. Elf Thesen zu Demokratie und Vielfalt in der Kindertagesbetreuung“ zusammenfasst. In dem Papier wird u.a. die Notwendigkeit aufgezeigt, die in der Kita erworbenen Demokratie-Kompetenzen von Kindern auch beim Übergang in die Primarbildung zu berücksichtigen, um Demokratie als Lebensform nachhaltig zu verankern. Idealerweise werden die angehenden Schüler*innen bei diesem Übergangsprozess sowohl von frühpädagogischen Fachkräften als auch von Grundschullehrer*innen begleitet, damit ihre Mitbestimmungsrechte auch im Primarbereich gesichert bleiben. Dies ist unabdingbar, damit die demokratiebildenden Impulse des Elementarbereichs nicht verhallen.

Die Zusammenarbeit von Kitas und Schulen wird seit Jahrzehnten politisch eingefordert und ist auch in den Landesgesetzen verankert. Vor dem Hintergrund der Veränderungen des deutschen Bildungs- und Betreuungssystems in den letzten Jahren und den damit einhergehenden neuen Anforderungen und Aufgaben gewinnt die Kooperation zwischen Fach- und Lehrkräften sowie Eltern und Trägern des elementar- und primarpädagogischen Bereichs stetig an Bedeutung.

Die partizipative Gestaltung des Übergangs Kita-Grundschule, verstanden als die Beteiligung von Kindern und Eltern unter pädagogischer Begleitung miteinander kooperierender Fach- und Lehrkräfte sowie anderer relevanter Akteur*innen, wird bereits innerhalb einiger (Modell-)Projekte, Programme und Konzepte erprobt und realisiert. In Deutschland ist eine solche partizipativ und kooperativ angelegte Übergangsgestaltung aber noch nicht flächendeckend strukturell verankert. Gründe hierfür liegen u.a. in unterschiedlichen Handlungs- und Sichtweisen von Grundschullehrer*innen und frühpädagogischen Fachkräften in Bezug auf ihr jeweiliges Arbeitsfeld. Dies zeigt sich vor allem hinsichtlich des divergierenden Konzepts von „Partizipation“ in den jeweiligen pädagogischen Settings. Des Weiteren spielen die verschiedenen Organisationskulturen und -strukturen der jeweiligen Institutionen eine wichtige Rolle. Eine Zusammenarbeit zwischen den Pädagog*innen beider Bildungsbereiche, die auf einheitlichen Standards z.B. in Bezug auf Demokratiebildung basiert, wird auch aufgrund unterschiedlicher gesetzlicher Rahmenbedingungen in den Ländern noch nicht bundesweit umgesetzt. Auf Bundesebene sieht das Kinder- und Jugendgesetz (SGB VIII) lediglich vor, dass die frühpädagogischen Fachkräfte „mit den Schulen“ zusammenarbeiten sollen, „um den Kindern einen guten Übergang in die Schule zu sichern“ (§ 22a Abs. 2 SGB VIII). Die konkrete inhaltliche Ausgestaltung dieser Kooperation regeln die Länder.

Die optimale Verzahnung von Elementar- und Primarpädagogik bleibt folglich eine zentrale Aufgabe für die Gegenwart und Zukunft, um Kindern eine nachhaltige Demokratiebildung zu sichern: Erst die gelungene Zusammenarbeit der beiden Institutionen hinsichtlich einer partizipativen Gestaltung des Übergangs ermöglicht Kindern einen kontinuierlichen Bildungsverlauf, frei von Brüchen und dem Verlust ihrer demokratischen Kompetenzen. Frühpädagogische Fachkräfte und Grundschullehrer*innen können die Demokratiebildung in ihren jeweiligen Institutionen fördern und aufeinander abstimmen, wenn sie ihre Erfahrungen und Kenntnisse, etwa über Best Practice Beispiele und Konzepte auf Augenhöhe im Dialog teilen.

Vor dem Hintergrund der Ergebnisse des aktuellen 16. Kinder- und Jugendberichts erscheint ein flächendeckender und systematischer Austausch zwischen den Pädagog*innen aus der Primar- und Elementarbildung wichtiger denn je für eine gelungene Demokratiebildung. Der Bericht macht schließlich deutlich, dass das Potenzial von Grundschulen als demokratischer Lern - und Lebensort weder inhaltlich noch methodisch derzeit voll ausgeschöpft wird: Er stellt eine ausbaufähige Didaktik politischer Bildung, mangelnde Selbst- und Mitbestimmungsmöglichkeiten von Schüler*innen im Unterricht, ein Bedarf an Maßnahmen gegen Diskriminierung in den Schulen und einer festen Verankerung politischer Bildung in der Ausbildung von Lehrkräften fest. In Bezug auf das Handlungsfeld der Kindertagesbetreuung wird in dem Bericht u.a.die Handlungsempfehlung gegeben die substantielle Dimension von Demokratie stärker in den Fokus zu rücken: Dies, so der Bericht, beinhalte die Erfahrbarmachung bestimmter Prinzipien wie Gleichheit, Pluralismus, Menschenrechte und Minderheitenschutz als unhintergehbaren Kern der Demokratie. Konkret regt der Bericht die Weiterbildung und Beratung pädagogischer Fachkräfte hinsichtlich kinderrechts- und demokratiebasierter Gesprächsführung, Konfliktlösungsfähigkeiten, Beschwerdemanagement und vorurteilsbewusster Kooperation mit Familien an.

Bezüglich der partizipativen Gestaltung des Übergangs Kita-Grundschule und der Zusammenarbeit der beteiligten Akteur*innen in diesem Prozess bleiben unter anderem folgende zentrale Fragen zu klären: Können Beteiligungskonzepte des Elementarbereichs auf den Primarbereich übertragen werden und wenn ja, welche und wie? Wie können die bisherigen Formen der Zusammenarbeit zu Demokratiebildung zwischen Kitas und Grundschulen ausgebaut werden und welche Rahmenbedingungen werden hierzu benötigt? Welche Ebenen und Akteur*innen sind einzubeziehen? Diesen und weiteren Fragen geht die Koordinierungsstelle in ihrer Leitveranstaltung zur Partizipation am Übergang Kita-Grundschule beim 17. Kinder- und Jugendhilfetag (DJHT) am 19. Mai auf den Grund. In einem Fachforum werden hierzu Vertreter*innen aus den Bereichen Wissenschaft, Kita, Grundschule, Politik/Verwaltung und Trägerschaft der freien Wohlfahrtspflege diskutieren. Das Deutsche Rote Kreuz wird zudem einen Workshop zur Elternbeteiligung am Übergang Kita-Grundschule beim 17. DJHT anbieten.

Wie der Übergang Kita-Grundschule gestaltet werden kann, damit Partizipation und Inklusion gewährleistet wird, erläutern Prof. Sabine Lingenauber von der Fachhochschule Fulda und Prof. Kathrin Aghamiri von der Fachhochschule Münster auch in Interviews aus unserer Reihe „Stimmen der Wissenschaft“.

Das Einzelvorhaben des Deutschen Roten Kreuzes „Demokratie leben – Elternpartizipation beim Übergang Kita-Schule“ aus unserem Begleitprojekt widmet sich der besonderen und wichtigen Rolle von Eltern und Familien für die gelingende Übergangssgestaltung. Zentrales Anliegen des Projekts ist es, eine partizipations- und vielfaltsorientierte Bildungs- und Erziehungspartnerschaft nachhaltig zu unterstützen. Hierzu werden partizipative Kooperationsmodelle zwischen Grundschule, Kita und Familien für den Bildungsübergang entwickelt, erprobt und verstetigt. Dies beinhaltet eine aktive Netzwerkarbeit unter dem Fokus der Elternbeteiligung an drei Modellstandorten. Dabei soll eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Kita, Hort, Grundschule und Eltern gefördert werden. Nähere Informationen zu den bisherigen und noch geplanten Maßnahmen finden Sie in der Projektvorstellung.

Auch das Einzelvorhaben des Paritätischen Gesamtverbandes „Partizipation und Demokratiebildung in der Kindertagesbetreuung“ nimmt sich der Thematik der partizipativen Übergangsgestaltung an, indem es ein entsprechendes Informationsangebot mit konkreten Anregungen und Empfehlungen für die Praxis bereitstellt: Ende letzten Jahres gab der Verband hierzu die Arbeitshilfe „Wenn junge Demokratinnen und Demokraten in die Schule kommen“ heraus.

Verfasst von Laura Martin