Wie steht es um die Demokratiebildung in Kitas und Kindertagespflegestellen? Erste Ergebnisse der bundesweiten Umfrage

Verfasst von Marc Köster, Paritätischer Landesverband Berlin

Demokratie beginnt schon in der frühen Kindheit – dieser Grundgedanke stand im Mittelpunkt der bundesweiten Umfrage zur Demokratiebildung in Kitas und Kindertagespflegestellen. Erste Ergebnisse liegen nun vor. Die Antworten geben wertvolle Einblicke in den aktuellen Stand der Demokratiebildung, die Beteiligungsmöglichkeiten von Kindern und die Herausforderungen, denen pädagogische Fachkräfte und Kindertagespflegepersonen in ihrem beruflichen Alltag begegnen.
 

Wer hat teilgenommen?

Die Umfrage richtete sich sowohl an pädagogische Fachkräfte als auch an Kindertagespflegepersonen. Insgesamt beteiligten sich 2.120 Personen aus verschiedenen Betreuungssettings und beantworten die 36 Fragen umfassenden Umfrage:
 

  • 52 Prozent der Teilnehmenden sind in Kindertageseinrichtungen tätig
  • 8 Prozent arbeiten in Krippen oder Einrichtungen für Kinder bis drei Jahre.
  • 33 Prozent sind in der Kindertagespflege tätig, und 5 Prozent in Großtagespflegestellen​.


Öffentliche- und freie Träger und Kindertagespflegepersonen

Insgesamt ist die Kindertagespflege gegenüber den Trägern der Kindertageseinrichtungen in der Umfrage stark überrepräsentiert. Freie Träger hingegen sind in der Umfrage deutlich unterrepräsentiert, öffentliche Träger sind ebenfalls leicht unterrepräsentiert.

Die Umfrage gehört zum Informations- und Weiterbildungsangebot des Projekts „Partizipation und Demokratiebildung in der Kindertagesbetreuung“ des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Die Umfrage wurde entwickelt und durchgeführt vom Paritätischen Wohlfahrtsverband in Kooperation mit: Bundesverband für Kindertagespflege e.V., Koordinierungsstelle "Demokratie und Vielfalt in der Kindertagesbetreuung" (Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe– AGJ), Arbeiterwohlfahrt Bundesverband (Projekt "Demokratie stärken - Vielfalt gestalten") und dem Verband Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) - Bundesverband e. V.

Angesichts dessen, dass die Befragung von o.g. freien Trägern der Kinder- und Jugendhilfe bzw. deren Demokratiebildungsprojekten durchgeführt wurde, ist die Überrepräsentanz der Kindertagespflege durch die enge Kooperation des Paritätischen mit dem BVKTP erklärbar. Auffällig scheint hingegen, dass mehr Fachkräfte aus öffentlichen Trägern erreicht wurden. Letzteres gilt es noch zu analysieren.
 

Mitbestimmung im Alltag

Die Ergebnisse zeigen, dass die Mitbestimmung der Kinder im Alltag vieler Einrichtungen und Kindertagespflegestellen von den Fachkräften weitgehend positiv bewertet wird, insbesondere in den Bereichen Bildung, Essen und Trinken sowie bei der Gestaltung des Tagesablaufs. Allerdings deuten die Antworten an, dass es in einzelnen Bereichen, wie bei der Beschwerdekultur und der Mitbestimmung bei Ruhezeiten, noch Raum für Verbesserungen gibt.
 

Strukturelle Angebote zur Beteiligung: Gremien und Kinderparlamente

Interessant ist, dass viele Betreuungs- und Bildungsangebote formelle Strukturen zur Beteiligung der Kinder vorhalten: 13 Prozent der Befragten gaben an, dass es in ihrer Einrichtung/Kindertagespflegestelle täglich Versammlungen wie Kinderversammlungen oder Kinderparlamente gibt. 21 Prozent berichten von wöchentlichen Treffen​. Auffällig ist, dass 29 Prozent der pädagogischen Fachkräfte aus Kindertagesstätten angeben, dass es bei ihnen so ein Angebot nicht gibt. Während es für die Kindertagespflege aufgrund der sehr jungen Kinder erwartbar ist, dass diese zu 68 Prozent angeben, dass es so ein Angebot nicht gibt, ist dies für institutionelle Angebote ein auffälliger Wert, den es weiter zu analysieren gilt.

Gefragt nach der Inklusivität der Gremien, geben die Befragten auf einer Skala von 1 (gar nicht) bis 5 (sehr inklusiv) im Durchschnitt Antworten mit einem Wert von 3,41. Waren die subjektiven Einschätzungen zur Beteiligung von Kindern im Alltag überwiegen gut, so sticht dieses Ergebnis vor dem Hintergrund des Anspruchs auf Gleichberechtigung hervor.
 

Herausforderungen in der Demokratiebildung

Und wie steht es um die Rahmenbedingungen?
 

  • 68 Prozent der Befragten nannten Zeitmangel als größte Herausforderung.
  • 58 Prozent verwiesen auf den Personalmangel.

Aber auch: 41 Prozent der Befragten gibt die „pädagogische Haltung von Kolleg*innen /Einstellung zur Demokratie und Partizipation von Kindern“ wie auch die fehlende Unterstützung durch den Träger (12 Prozent) an.

Die Lage in den Kindertageseinrichtungen gestaltet sich laut Kita-Bericht 2024 des Paritätischen Gesamtverbandes weiterhin prekär. In den über 1.500 erfassten Einrichtungen dieser Befragung seien etwa 4.000 Stellen (vorübergehend) unbesetzt. Bundesweit würden damit rund 125.000 Fachkräfte fehlen, die Situation in vielen Kindertageseinrichtungen habe sich seit der letzten Umfrage 2021 deutlich verschlechtert. Durchschnittlich bedeute das also das Fehlen von mehr als zwei Fachkräften in jeder Kita, oftmals sogar mehr. Vor diesen Hintergrund sind Zeit- und Personalmangel als häufigste Antworten der Befragten der Umfrage zur frühen Demokratiebildung nicht überraschend und vertiefter zu analysieren.
 

Notwendigkeit früher Demokratiebildung

Gefragt nach der Notwendigkeit früher Demokratiebildung auf einer Skalierung von -100 (sehr hoch) bis +100 (keine Notwendigkeit) schätzen diese sie mit -56,4 ein.
 

Unterstützungswünsche

Die drei häufigsten Nennungen hinsichtlicht der Frage, was sich die pädagogischen Fachkräfte und Kindertagespflegepersonen ganz besonders wünschen, waren:
 

  • 51 Prozent der Befragten wünschten sich konkrete Materialien und Anleitungen, um die demokratische Beteiligung in ihren Einrichtungen besser umzusetzen.
  • 50 Prozent der Teilnehmenden hielten den Austausch mit anderen Einrichtungen und Kolleg*innen für sehr wichtig.
  • 43 Prozent der Befragten sprachen sich für zusätzliche Fortbildungen aus, um das Thema Demokratiebildung zu vertiefen.

Demokratie ist die einzige Staatsform ist, die gelernt werden muss - so hat es Oskar Negt einst formuliert. Deshalb sind die Unterstützungsbedarfe der pädagogischen Fachkräfte von besonderer Bedeutung. Die vertiefte Auswertung der Antworten steht noch aus.