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75 Jahre Grundgesetz - wo sind die Kinderrechte?!
Am 23. Mai feierte das Grundgesetz sein 75-jähriges Jubiläum. Als Verfassung für Deutschland fungiert es als rechtliche Grundlage für unser demokratisches Zusammenleben. Aktivist*innen verweisen jedoch schon seit 30 Jahren auf eine große Lücke im Gesetzestext: Explizite Kinderrechte fehlen in unserem Grundgesetz. Bislang werden Kinder dort nur in Verbindung mit Elternrechten genannt. So steht in Artikel 6:
„Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.“
Weitere Erwähnung finden Kinder außerdem in der Regelung des schulischen Bildungs- und Erziehungsauftrags des Staates. Sie werden also weniger als eigene gesellschaftliche Subjekte bezeichnet, sondern treten vor allem als Objekte in Erscheinung.
Dafür brauchen wir die Kinderrechte im Grundgesetz!
In den letzten 30 Jahren haben zahlreiche zivilgesellschaftliche und politische Debatten aufgezeigt, dass diese Regelungen nicht ausreichend sind, um den besonderen Schutz, dessen Kinder bedürfen, zu gewährleisten und ihnen eine starke Subjektstellung in unserer Gesellschaft zukommen zu lassen.
Das Aktionsbündnis Kinderrechte – bestehend aus dem Deutschen Kinderhilfswerk, dem Deutschen Kinderschutzbund und UNICEF Deutschland – setzt sich seit 2007 für die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz ein. Ihre Forderungen lauten:
- Der Vorrang des Kindeswohls bei allen Kinder betreffenden Entscheidungen
- Das Recht des Kindes auf Anerkennung als eigenständige Persönlichkeit
- Das Recht des Kindes auf Entwicklung und Entfaltung
- Das Recht des Kindes auf Schutz, Förderung und einen angemessenen Lebensstandard
- Das Recht des Kindes auf Beteiligung, insbesondere die Berücksichtigung seiner Meinung entsprechend Alter und Reifegrad
- Die Verpflichtung des Staates, für kindgerechte Lebensbedingungen Sorge zu tragen
Auch die UN-Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen, die Deutschland 1992 ratifiziert hat, gibt die Verankerung der Kinderrechte ins Grundgesetz vor – umgesetzt wurde die Vorgabe allerdings noch nicht. Der Kinderreport des Deutschen Kinderhilfswerks von 2015, der sich schwerpunktmäßig mit den Rechten der Kinder in Deutschland gemäß der UN-Kinderrechtskonvention beschäftigte, zeigte eine hohe Zustimmung für die Verankerung bei Kindern und Erwachsenen auf und auch der Koalitionsvertrag der Großen Koalition von 2018 sah eine solche Verankerung vor. Ein entsprechender Gesetzesentwurf zur Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz scheiterte 2021 allerdings letztlich an der dafür notwendigen Zweidrittelmehrheit im Bundestag. Grund hierfür waren unter anderem Uneinigkeiten bei den Formulierungen zum Kindeswohl sowie zum Recht des Kindes auf Beteiligung.
Im Januar 2024 bekräftigte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) im Bundestag, dass die aktuelle Bundesregierung nach wie vor Kinderrechte im Grundgesetz verankern wolle. Sie kündigte an, dass das Bundesjustizministerium dazu noch 2024 einen Formulierungsvorschlag zwischen den beteiligten Ressorts abstimmen werde.
Werden die Kinderrechte im Grundgesetz verankert, darf es dabei nicht bei einer reinen Symbolpolitik bleiben. Stattdessen muss sich, gerade in Zeiten von steigender Kinderarmut und Ungleichheiten, weiterhin tatkräftig für ihre Durchsetzung eingesetzt werden.