Breite Beteiligung der Zivilgesellschaft für geplantes Demokratiefördergesetz

Verfasst von Laura Martin, Koordinierungsstelle

Der aktuelle Koalitionsvertrag sieht vor, dass in dieser Legislaturperiode nach breiter Beteiligung der Zivilgesellschaft ein Demokratiefördergesetz auf den Weg gebracht wird. Jenes Gesetz soll dem Bund die Rechtsgrundlage für eine verlässliche und langfristige Unterstützung von zivilgesellschaftlichem Engagement im Bereich der Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung und Extremismusprävention geben sowie die Voraussetzungen für eine solche Förderung festschreiben. Nun sind die ersten Schritte in Richtung eines Gesetzgebungsprozesses unternommen worden: Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) haben ein gemeinsames Diskussionspapier veröffentlicht, das zentrale Eckpunkte zur Erarbeitung eines entsprechenden Gesetzesentwurfs aufzeigt. Zudem riefen beide Ministerien zivilgesellschaftliche Organisationen auf bis zum 21.03.2022 Stellungnahmen einzureichen.
 

Stellungnahmen aus der Zivilgesellschaft

Zu den zivilgesellschaftlichen Akteur*innen, die ihre Stellungnahmen zum geplanten Demokratiefördergesetz eingereicht haben, zählen auch die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege, die am Begleitprojekt "Demokratie und Vielfalt in der Kindertagesbetreuung" beteiligt sind. Sie haben im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e. V. (BAGFW) eine gemeinsame Stellungnahme erarbeitet. Begrüßt wird darin die im Diskussionspapier vorgesehene Altersunabhängigkeit der Förderung. Zudem wird dafür plädiert, Handlungsfelder wie die Kindertagesbetreuung und Schule als Orte des Demokratielernens stärker in den Blick zu nehmen und bei der Förderung zu berücksichtigen. Ferner wird hervorgehoben, dass das Bekämpfen von Verschwörungserzählungen, Fake News, Hate Speech sowie diskriminierendem und undemokratischem Verhalten in den sozialen und anderen Medien zu wichtigen Aufgaben der Demokratieförderung, Prävention von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Vielfaltsgestaltung gehören. Dies müsse auch im Rahmen von Medienbildung erfolgen und stärker als bisher Teil der frühkindlichen und schulischen Bildung sowie der außerschulischen Bildungsarbeit werden.

Auch das Deutsche Jugendinstitut (DJI) gab eine Stellungnahme ab. Darin empfiehlt das DJI mit Blick auf konkrete Fördervorhaben im geplanten Gesetz zu benennen, welche Aufgaben bundeszentrale Träger zur Extremismusprävention, Demokratieförderung und Vielfaltgestaltung übernehmen sollen oder diese in entsprechenden Förderrichtlinien näher zu bestimmen, um das Verhältnis zu bereits bestehenden Förderinstrumenten wie dem Kinder- und Jugendplan des Bundes zu klären. Ferner spricht sich das DJI dafür aus, dass die Regelungselemente sinnvoll und ergänzend auf die verschiedenen, etablierten Subsysteme des Bildungssystems, des Systems der Kinder- und Jugendhilfe sowie weiterer gesellschaftlicher Funktionsbereiche - einschließlich der Kindertageseinrichtungen - bezogen sein und möglichst gut mit diesen zusammenwirken sollten. Das Gesetz solle daher entsprechend an die mit der Regelung dieser und anderer Bereiche befassten Rechtskreise anknüpfen.

Zu den weiteren Stimmen aus der Zivilgesellschaft, die sich zum geplanten Demokratiefördergesetz zu Wort meldeten, gehört die evangelische arbeitsgemeinschaft familie e. V. (eaf), die ebenfalls eine Stellungnahme einreichte, in der Familienbildungseinrichtungen als wichtige Adressaten für das Demokratiefördergesetz betont werden. Familien seien schließlich die ersten Orte, in denen Kinder Aushandlungsprozesse und Beteiligung erfahren können. Eine weitere Stellungnahme gab der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit ab: Er begrüßt darin, dass von Seiten des Bundes mit dem geplanten Demokratiefördergesetz eine verlässlichere Finanzierung für demokratische Bildungsarbeit und Engagement angestrebt werde. Politische Bildung und Demokratieförderung müssten schließlich entlang der gesamten Bildungskette gestärkt und ausgebaut werden, was neben der Jugend(sozial)arbeit, den Ganztagsschulen und Hilfen zur Erziehung und Behindertenhilfe auch die Kindertagesbetreuung einschließe.

Die wichtige Bedeutung der frühkindlichen Bildung zur Demokratieförderung betonte Anfang dieses Jahres auch Innenministerin Nancy Faeser in einem Interview mit der der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung anlässlich des zweiten Jahrestages der Anschläge von Hanau: Darin erklärte sie, dass sie rechtsextreme Strömungen in Deutschland künftig möglichst frühzeitig bekämpfen wolle. Der Kampf gegen Rechtsextremismus fange aus ihrer Sicht mit guter Bildungsarbeit an und setze schon im Kindergarten an.
 

Was ist der Hintergrund des Demokratiefördergesetzes?

Bisher hat der Bund keine Zuständigkeit für (Demokratie-)Bildung, weshalb er in diesem Bereich nur Modellprojekte für ein Jahr fördern kann. Aufgrund dieser befristeten Projektförderung können viele zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich für die Demokratieförderung engagieren, nicht langfristig planen und daher die gewachsenen demokratiefeindlichen Strukturen nicht in ausreichendem Maße nachhaltig bearbeiten. Aus diesem Grund beauftragten einige zivilgesellschaftlichen Organisationen, wie die Amadeu Antonio Stiftung, ein wissenschaftliches Gutachten, das die rechtlichen Möglichkeiten zur Verstetigung der finanziellen Mittel zur Demokratieförderung und Bekämpfung des Neonazismus aufzeigen sollte. Dieses Gutachten, das 2013 erschien, kam zu dem Schluss, dass eine langfristige und dauerhafte Finanzierung der Arbeit zur Demokratieförderung verfassungsrechtlich möglich ist.

In den letzten Jahren zeigte sich angesichts der Zunahme von schweren rassistisch motivierten Straf- und Gewalttaten, wie den Anschlägen in Hanau und Halle sowie dem Mord an Regierungspräsident Walter Lübcke, verstärkt die Dringlichkeit einer rechtlichen Grundlage zur Förderung und Bewahrung der Demokratie in Deutschland. Vor diesem Hintergrund erschien 2020 ein weiteres wissenschaftliches Gutachten, in dem verfassungsrechtliche Unklarheiten in Bezug auf ein solches Gesetz aus dem Weg geräumt werden und aufzeigt wird, warum eine bundeseinheitliche Regelung erforderlich ist. In der letzten Legislaturperiode wurde ein erster Versuch unternommen ein Gesetz zur Demokratieförderung auf den Weg zu bringen, der jedoch scheiterte.

Unter der aktuellen Bundesregierung soll nun ein neuer Anlauf unternommen werden: Laut dem Diskussionpapier von BMFSFJ und BMI stellt schließlich die Bekämpfung von jeder Form des Extremismus und Demokratiefeindlichkeit und der Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung für die Bundesregierung eine gesamtgesellschaftliche und dauerhafte Aufgabe von zentraler politischer Bedeutung dar. Daher solle nun der Bund hierfür zuständig werden und damit neue Möglichkeiten der Förderung erhalten. Diese Notwendigkeit zeige sich auch angesichts der neuen Herausforderungen, die durch die Corona-Pandemie entstanden sind: die Verbreitung von Verschwörungsideologien, eine sich zunehmend radikalisierende Szene gegen die öffentlichen Corona-Maßnahmen, die neue Bündnisse zwischen radikalisierten Milieus schafft, sowie Hass und Hetze im Internet.
 

Was kann von dem geplanten Gesetz erwartet werden?

Die seit langem geforderte (dauerhafte) Entfristung der Förderung von zivilgesellschaftlichen Projekten zur Demokratiebildung/-stärkung kann das aktuell geplante Gesetz an sich zwar nicht ermöglichen. Es sollen aber die rechtlichen Rahmenbedingungen für diese Förderung auf Bundesebene verbessert und damit entsprechende Maßnahmen nachhaltig abgesichert werden: Dazu soll das Gesetzesvorhaben erstmals den Auftrag des Bundes im Bereich der Demokratieförderung, Vielfaltsgestaltung und Extremismusprävention rechtlich verankern. Auf dieser Grundlage soll der Bund sowohl eigene Maßnahmen durchführen als auch zivilgesellschaftliches Engagement fördern können.

Die gesetzliche Regelung soll auch ein klares Bekenntnis zu einer angemessenen Finanzierung von Projekten mit überregionaler Bedeutung nach Maßgabe des jeweiligen Haushaltsgesetzes beinhalten. Das geplante Gesetz ist nicht direkt mit Fördermitteln verbunden. Diese müssten dann erst in Haushaltsverhandlungsrunden bestimmt werden. Zudem soll das Gesetz allgemeine Fördervoraussetzungen festlegen, die eine bedarfsorientierte, längerfristige und alterunabhängige Förderung von Maßnahmen mit überregionaler Bedeutung zur Demokratiestärkung, Extremisprävention und Vielfaltsgestaltung ermöglichen. Das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ und andere Förderprogramme sind nicht Gegenstand des Demokratiefördergesetzes.

Grundsätzlich soll sichergestellt werden, dass die von zivilgesellschaftlichen Trägern bereits aufgebauten und fachlich bewährten Strukturen aufrechterhalten und weiterentwickelt werden können, um den sich wandelnden gesellschaftlichen Herausforderungen gerecht zu werden.
 

Was sind die nächsten Schritte?

Am 4. Mai 2022 wird ein Fachkongress mit der Zivilgesellschaft unter Beteiligung der Bundesfamilien- und Bundesinnenministerin stattfinden, bei der die eingegangenen Positionierungen aus der Zivilgesellschaft diskutiert werden. Anfang Juni 2022 soll die Ressortabstimmung zum Gesetzentwurf eingeleitet werden. Der Kabinettsbeschluss soll bis spätestens Ende 2022 erfolgen, sodass der Gesetzgebungsprozess - wie im aktuellen Koalitionsvertrag vorgesehen - in 2023 abgeschlossen werden kann.