Dokumentation der Fachtagung

"Demokratie inklusive. Demokratie und Vielfalt in der Kindertagesbetreuung"

Das Bild zeigt Personen in Stuhlreihen, die grüne Karten hochheben.
©AGJ/Casalux

Die Fachtagung „Demokratie inklusive. Demokratie und Vielfalt in der Kindertagesbetreuung“, die schon Monate vor Anmeldeschluss ausgebucht gewesen war, fand am 13./14. November 2018 im Holiday Inn City East in Berlin statt. Knapp 200 Interessierte aus der ganzen Bundesrepublik hatten sich angemeldet, und der Veranstaltungsraum war dementsprechend bis auf den letzten Stuhl besetzt.

Eröffnung durch die AGJ-Vorsitzende Prof.in Dr. Karin Böllert

Eröffnet wurde die Tagung durch Prof.in Dr. Karin Böllert, die in ihren einführenden Worten die Chancen von Demokratie und Vielfalt in der Kindertagesbetreuung darstellte, aber auch die damit verbundenen Herausforderungen nicht aussparte. An den Anfang ihrer Rede stellte sie ein Zitat des Philosophen Oskar Negt: „Eine demokratisch verfasste Gesellschaft ist die einzige Gesellschaftsform, die gelernt werden muss, alle anderen bekommt man so.“ Dieses Demokratielernen, so führte Karin Böllert weiter aus, braucht das bewusste Erleben, das Üben demokratischer Praktiken sowie eine kindgerechte Auseinandersetzung mit der Frage, wie weit die Rechte des bzw. der Einzelnen reichen und was zu tun ist, wenn das Recht der bzw. des einen mit dem Recht der bzw. des anderen zu kollidieren droht. Partizipation als demokratisches Recht von Kindern jeden Alters, in den sie betreffenden Angelegenheiten mitzuentscheiden, ist dabei der zentrale Baustein zur demokratischen Ausgestaltung von Kitas und Tagespflege. Das Konzept „Kinderstube der Demokratie“ zeigt Wege auf, um dieses Recht durch strukturelle Verankerung abzusichern.

Die AGJ-Vorsitzende machte deutlich, dass sich die wachsende Vielfalt unserer Gesellschaft gerade im Alltag von Kitas und Tagespflegestellen widerspiegelt, weil dort Kinder, Familien und Fachkräfte mit unterschiedlichsten sozialen und kulturellen Hintergründen zusammenkommen. Der Umgang von Kindern mit Unterschieden kann ganz unbefangen sein, kann aber auch die Form (reproduzierter) Vorurteile und Ausgrenzung annehmen. Gerade in Zeiten wachsender extremistischer und rassistischer Tendenzen in der Bevölkerung sind Fachkräfte mehr denn je gefordert, pädagogisch auf diese Herausforderungen zu wirken. Die Vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung gibt ihnen hier ein Konzept an die Hand, welches sie zur Reflexion von Vorurteilen anregt und zu einem kompetenten Umgang mit Heterogenität und Ausgrenzung befähigt.

Bezugnehmend auf das 2017 veröffentlichte AGJ-Positionspapier „Vielfalt. Kind. Gerecht. Gestalten. Interkulturalität, Vielfalt und Demokratieerziehung in der Kindertagesbetreuung“ unterstrich Karin Böllert, dass kompetente Demokratiebildung und vorurteilsbewusste Arbeit Zeit für Qualifizierung, Reflexion und Austausch im Team erfordern. Zudem sind Politik, Träger und Leitungskräfte in der Pflicht, die notwendigen Unterstützungssysteme bereitzustellen. Darüber hinausgehend rege die AGJ an, dass Leitungskräfte in enger Zusammenarbeit mit ihren Teams und den zuständigen Fachberatungen Konzepte für die Elternarbeit im Zusammenhang mit dem Anspruch von vorurteilsbewusster Bildung und Erziehung entwickeln. Nur durch eine enge Zusammenarbeit mit den Eltern kann das Alltagserleben der Kinder und ihrer Familien zum zentralen Ausgangspunkt pädagogischen Handelns werden und die demokratische, vorurteilsbewusste Bildung der Kinder befördert werden, schloss die AGJ-Vorsitzende ihre Eröffnungsrede.

Das Bild zeigt eine Referentin an einem Rednerpult mit Publikum, das vor ihr sitzt. Hinter der Rednerin befindet sich ein gelber Vorhang und ein Banner.
©AGJ/Casalux

Statement der Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey

In Anschluss trat Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey ans Mikrofon, um die gesellschaftspolitische Bedeutung von Demokratieförderung im frühkindlichen Bereich zu beleuchten. Mit dem Verweis auf gängige Argumentationsmuster von Erwachsenen gegenüber Kindern („Weil ich es dir sage…“) veranschaulichte die Ministerin, dass die Machtasymmetrie in pädagogischen Beziehungen dringend der Reflexion bedarf und sprach damit ein zentrales Element von früher Demokratiebildung an. Als ehemalige Bürgermeisterin von Neukölln sei sie auch mit den Herausforderungen, die gesellschaftliche Heterogenität mit sich bringt, vertraut und wisse um die Notwendigkeit einer frühen Förderung aller Kinder, insbesondere derer mit schlechteren Startchancen. „Ich bin überzeugt“, unterstrich sie, „dass Deutschland nur so stark sein wird, wie es schafft, sich um die Schwächsten zu kümmern.“ Kinder müssen in ihrer Identität, ihrer Autonomie und ihrer Gemeinschaftsfähigkeit gestärkt werden, wobei – so führte Franziska Giffey aus – Erzieherinnen eine herausragende Rolle innehaben. Für diese wichtige gesellschaftliche Aufgabe brauchen sie allerdings angemessene Rahmenbedingungen, die die Bundesregierung aktuell durch das "Gute-Kita“-Gesetz zu schaffen versuche. Mit einem spontanen Pyramidenbau stellte die Ministerin die einzelnen Bausteine des „Gute-Kita“-Gesetzes vor und ermutigte die anwesenden Fachkräfte abschließend mit ihrem Wahlspruch „Penetranz schafft Akzeptanz!“ in ihrem Engagement für frühes Demokratielernen von Kindern, aber auch in ihrem Einsatz für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Qualität der Kindertagesbetreuung.

Das Bild zeigt Bundesfamilienministerin Dr. Giffey als Rednerin mit Mikro in der Hand vor einem Publikum. Im Hintergrund befindet sich ein gelber Vorhang und ein Banner.
©AGJ/Casalux

Inputreferat von Prof.in Dr. Raingard Knauer

Im darauffolgenden Inputreferat steckte Prof. Dr. Raingard Knauer das Themenfeld „Demokratie und Vielfalt in der Kindertagesbetreuung“ inhaltlich-konzeptionell ab. Demokratie meint dabei
 

  • gleichberechtigten Zugang
  • zu gleichrangigen, gegenseitigen
  • Verhandlungen und Entscheidungen der Bürgerinnen und Bürger
  • in Öffentlichkeit(en)
  • und (repräsentativen) Gremien
  • über die kooperative Lebensführung.
  • Getroffene Entscheidungen müssen gemeinsam umgesetzt und ihre Folgen getragen werden.

Aber was heißt das für die Kindertagesbetreuung heute? In Anlehnung an den Philosophen und Pädagogen John Dewey führte Raingard Knauer aus, dass Kinder sich Demokratie nur aneignen können, indem sie sie selbst erfahren. In Kitas als „embryonic societies“ (Gesellschaften im Werden) stellt sich für Kinder immer die Frage danach, „wer hier eigentlich die Bestimmerin oder der Bestimmer ist“. Erst wenn Fachkräfte einen Teil ihrer Macht teilen und Partizipation verlässlich ermöglichen, erfahren Kinder Demokratie, was Raingard Knauer mit dem sprichwörtlichen „sich einen Zacken aus der Krone brechen und diesen dem Kind aufsetzen“ visuell veranschaulichte. Mit Richard Schröder definierte die Referentin Beteiligung wie folgt: „Partizipation heißt Entscheidungen, die das eigene Leben und das Leben der Gemeinschaft betreffen, zu teilen und gemeinsam Lösungen für Probleme zu finden.“ (Schröder, 1995, S. 14). Beispiele für Entscheidungen in der Kita, die alle betreffen, sind vielfältig und reichen von der Gestaltung des Tagesablaufs, über das Essen oder Schlafen bis hin zur Personalauswahl. Dabei stellt sich die Frage, wie gewährleistet werden kann, dass demokratische Partizipation allen Kindern ermöglicht wird – auch jungen Kindern, Kindern mit Beeinträchtigungen oder geringen Kenntnissen der deutschen Sprache oder vermeintlich „auffälligen“ Kindern. Anhand einer (wahren) Geschichte aus dem neuesten „Leon und Jelena“-Buch „Eine Baustelle für die Krippis“ (Hansen/Knauer 2018) stellte Raingard Knauer dar, wie der Anspruch, auch ganz junge Kinder zu beteiligen, mit altersgerechten Methoden und festen Gremien und Verfahren umgesetzt werden kann. Demokratie meint also nicht, dass jede und jeder alles darf, sondern dass die Rechte verlässlich geklärt sind. Welche Rechte Kindern in der konkreten Einrichtung zugestanden werden, hat mit den eigenen Erwartungen der Fachkräfte, dem Bild vom Kind und gesellschaftlichen Erwartungen zu tun. Die Konzepte „Kinderstube der Demokratie“ und „Mitentscheiden und Mithandeln in der Kita“, die von der Referentin selbst mitentwickelt wurden, geben Teams Hilfestellung bei der konkreten Rechteklärung.

Im zweiten Teil Ihres Vortrages machte Raingard Knauer die Verbindungen von Demokratiebildung zum Kinderschutz deutlich und unterstrich, dass pädagogische Beziehungen immer auch Machtverhältnisse sind. Gestaltungsmacht, Verfügungsmacht, Definitionsmacht und Mobilisierungsmacht liegen meist bei den Erwachsenen. Zur Verhinderung von Machtmissbrauch in den Kindertageseinrichtungen sind verlässliche Beschwerdemöglichkeiten und -verfahren – auch über Fachkräfte – notwendig. Acht (von der Referentin und Rüdiger Hansen entwickelte) Fragen könnten bei der Erarbeitung von Beschwerdeverfahren hilfreich sein:

  1. Worüber dürfen sich Kinder in der Kita beschweren?
  2. Wie bringen Kinder Beschwerden zum Ausdruck?
  3. Wie können Kinder dazu angeregt werden, sich zu beschweren?
  4. Wo/bei wem können sich Kinder in der Kita und über die Kita beschweren?
  5. Wie werden Beschwerden von Kindern aufgenommen und dokumentiert?
  6. Wie werden Beschwerden von Kindern bearbeitet / Wie wird Abhilfe geschaffen?
  7. Wie wird der Respekt den Kindern gegenüber im gesamten Beschwerdeverfahren zum Ausdruck gebracht?
  8. Wie können sich pädagogische Fachkräfte gegenseitig unterstützen, eine beschwerdefreundliche Einrichtung zu entwickeln?

Der letzte Teil des Inputs fokussierte den Anspruch an Demokratie, Gleichheit und Verschiedenheit miteinander zu vereinen. Allerdings würden schon in der Kita soziale Unterschiede (unter Rückgriff auf Kategorien wie „Geschlecht“, „Klasse“, „Kultur“, „Alter“, „Körper“ oder „Sexualität“) konstruiert. Damit verbunden sind Macht-und Ungleichheitsverhältnisse. Kinder werden nicht nur marginalisiert, weil sie Kinder sind (Adultismus), sondern auch aufgrund anderer Eigenheiten ihrer Person. Vielfalt und Ungleichheitsverhältnisse werden auch zu einer pädagogischen Herausforderung in der Kita: „Der unauflösliche Zusammenhang vom Recht auf Gleichheit und vom Recht auf Freiheit zeigt sich darin, dass dies für jedes Kind gleichermaßen gelten soll und darin, dass jedem Kind sein individueller Eigensinn gleichermaßen zugestanden wird.“ (Prengel 2010, S.6)

Raingard Knauer schloss mit dem Verweis auf §1 SGBVIII („Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit.“), durch den deutlich werde, dass die Umsetzung von Demokratie und Vielfalt in der Kita nicht eine weitere Aufgabe neben anderen ist, sondern den Kern pädagogischer Qualität ausmacht.

In der sich an den Vortrag anschließenden Diskussion plädierte Raingard Knauer für mehr Leichtigkeit im Umgang mit Demokratie. Eine partizipative, vorurteilsbewusste Ausgestaltung des pädagogischen Alltags erfordere eine Kultur der Fehlerfreundlichkeit. Zentral für das Gelingen früher Demokratiebildung sei die Reflexion im Team, weshalb ausreichend Zeit für Teamfortbildungen vorgesehen werden müsse. Auf die Frage, wie mit „unbequemen“ Entscheidungen, die von Kindern in Beteiligungsverfahren getroffen würden, antwortete die Referentin, dass Demokratie die Anforderung an Fachkräfte stelle, Öffentlichkeit über Entscheidungen herzustellen und einmal getroffene demokratische Beschlüsse dann auch öffentlich zu vertreten und gegebenenfalls gemeinsam zu revidieren. Eine andere Teilnehmerin interessierte sich dafür, welche Auswirkung eine Beteiligungskultur in frühpädagogischen Einrichtungen auf die Schule habe. Dazu gebe es keine empirischen Daten, so Raingard Knauer, allerdings werde ihr aus der Praxis berichtet, dass Kinder, die in ihrer Kita mitbestimmen durften, selbiges auch in der Schule einfordern und so zumindest Impulse für eine Demokratisierung rigider Schulstrukturen setzen könnten. Auf die Frage hin, wie die demokratische Ausgestaltung von Kitas auf der Leitungsebene wirke, machte die Referentin deutlich, dass Partizipation die ganze Einrichtung verändere. Eine Partizipationspraxis im Umgang mit den Kindern stellt auch die Frage nach den Beschwerderechten für Eltern sowie der demokratischen Beteiligungspraxis in der Institution der Kita selbst.

Mit Blick auf das Thema Beschwerde wies eine andere Teilnehmerin darauf hin, dass hier die Gefahr der Manipulation durch Fachkräfte besonders groß sei, weshalb sie an ihre Kolleginnen und Kollegen appellierte, sensibel und gewissenhaft mit Beschwerden von Kindern umzugehen.

[weiterführende Literaturhinweise]

Das Bild zeigt eine sprechende Frau mit einem Mikro in der Hand vor einem Rednerpult. Hinter ihr befindet sich ein gelber Vorhang und ein Banner.
©AGJ/Casalux
Das Bild zeigt zwei Frauen vor einem Rednerpult, eine davon hält ein Mikro, mit einem gelben Vorhang und Banner im Hintergrund.
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Podiumsdiskussion der Vertreterinnen und Vertretern der Wohlfahrtsverbände

Den Abschluss des ersten Veranstaltungstages bildete eine Podiumsdiskussion, die das Ziel verfolgte, die im Rahmen des Kooperationsprojekts „Demokratie und Vielfalt in der Kindertagesbetreuung“ umgesetzten Einzelvorhaben der Wohlfahrtsverbände in den Fokus zu rücken und dabei eine Zwischenbilanz der bisherigen Aktivitäten und Ergebnisse zu ziehen. Beteiligt an der Diskussion waren die jeweiligen Projektverantwortlichen der Einzelvorhaben: Marc Köster (Paritätischer Wohlfahrtsverband), Teresa Lehmann (Bundesverband für Kindertagespflege, Mitglied des Paritätischen und Träger eines Teilprojekts), Sabine Urban (Deutsches Rotes Kreuz), Meike Geppert (Diakonie Deutschland), Matthias Colloseus (Verband katholischer Tageseinrichtungen für Kinder - KTK), Jannes Hesterberg (AWO Bundesverband) sowie Vera Katona (Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland, ZWST).

Hauptanliegen des Kooperationsprojekts ist es, Ansätze der Demokratiebildung und Vielfaltspädagogik zu stärken, weiterzuentwickeln und möglichst breit in den verbandlichen Strukturen zu verankern. Im Gespräch der Projektverantwortlichen wurde deutlich, wie vielfältig die Herangehensweisen und thematischen Schwerpunktsetzungen der Verbände dabei sind. So arbeiteten insbesondere die größeren Wohlfahrtsverbände bisher eher qualitativ und richteten den Blick auf das bereits Vorhandene, um zu identifizieren, welche Einrichtungen sich bereits mit den Themen Demokratie und Vielfalt beschäftigen und welche Bedarfe darüber hinaus bei den Einrichtungen und Fachkräften bestehen. Andere Verbände wiederum kooperierten von Beginn an unmittelbar mit einer kleinen Anzahl von Einrichtungen, wie z.B. die AWO und die ZWST. Auch bei der Wahl der Methoden zeigte sich eine große Bandbreite: Neben Fortbildungen, Workshops und Fachtagungen bieten die Verbände themenspezifische Handreichungen und andere Publikationen an, entwickeln aber auch niedrigschwellige Instrumente wie Filme, Poster oder Postkarten, um das Interesse der Fachkräfte und Familien an den Projektthemen zu wecken. Darüberhinausgehend machten die Beiträge der Diskussionsteilnehmenden deutlich, dass – ungeachtet der unterschiedlichen Herangehensweisen in den Einzelvorhaben – immer wieder ähnliche „Stolpersteine“ und Herausforderungen sichtbar wurden. Angeführt wurde dabei vor allem fehlendes Personal sowie zu knappe Zeitressourcen von Teams, um Fort- und Weiterbildungen im Bereich Demokratiebildung und Vielfaltspädagogik überhaupt wahrnehmen zu können, sowie teilweise auch generationelle Herausforderungen innerhalb von Einrichtungen.

Die deutlich gewordene Diversität hinsichtlich der von den Verbänden gewählten Zugänge zu den Projektthemen liege in den unterschiedlichen Verbandsstrukturen und dem jeweiligen verbandlichen Selbstverständnis begründet. Die dadurch entstehende Komplementarität der Projekte sei ein Alleinstellungsmerkmal des Gesamtvorhaben und ein großer Mehrwert der gesamten Kooperation. Der im Kooperationsprojekt intensiv betriebene verbandsübergreifende Austausch schaffe vielfältige Synergieeffekte und liefere immer wieder gewinnbringende Impulse für die Einzelprojekte.

Das Bild zeigt ein Podium mit Personen vor einem gelben Vorhang. Davor befinden isch Beistelltische und Blumen.
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Das Bild zeigt eine Frau, die ein Mikro zu einem Mann neben sich hinhält. Dieser spricht in das Mikro rein. Im Hintergrund ist ein gelber Vorhang, eine Leinwand mit Präsentation und eine Pinnwand.
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Das Bild zeigt drei Personen im Podium vor einem gelben Vorhang. Darunter eine Frau, die mit einem Mikro spricht.
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Workshops

Der zweite Veranstaltungstag stand ganz im Zeichen des Austauschs und der Diskussion. Dazu waren zwei Workshoprunden vorgesehen. Die erste Runde widmete sich den unterschiedlichen Konzepten, Ansätzen und Beispielen guter Praxis aus den Bereichen frühe Demokratiebildung und Vielfaltspädagogik:

So stellte Yvonne Rehmann (Institut für Partizipation und Bildung) im Tandem mit Stephanie Delfs (Kita-Leiterin) das Konzept und die Anwendung der „Kinderstube der Demokratie“ vor.

Präsentation Workshop 1 Kinderstube der Demokratie

Petra Wagner (Institut für den Situationsansatz /Fachstelle Kinderwelten) und Astrid Grabner (Kita-Leiterin) präsentierten unter dem Titel „Vielfalt respektieren, Ausgrenzung widerstehen“ den Ansatz der Vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung als inklusives Praxiskonzept.

Präsentation Workshop 2 Vielfalt respektieren, Ausgrenzung widerstehen ...

Johannes Neumann (Mediator und Bildungsreferent) widmete das Thema „Macht und Allmacht in Alltagsbeziehungen“ und stellte das DRK-Curriculum „Was MACHT was?!“ vor.

Präsentation Workshop 3 DRK-Curriculum "Was MACHT was?"

Der Index für Inklusion in Kindertageseinrichtungen war Thema des Workshops von Sabine Kaiser (Evangelische Hochschule Ludwigsburg).

Präsentation Workshop 4 Index für Inklusion

Brigitte Netta (Kita-Leiterin) stellte ein Beispiel gelebter Partizipation und Vielfalt im von ihr geleiteten „Eine Welt Kinderhaus SieKids“ vor.

Präsentation Workshop 5 Gelebte Partizipation und Vielfalt...

Den Umgang mit diskriminierenden, antidemokratischen und rechtsextremen Positionen in Kitas thematisierte Eva Prausner (Projekt ElternStärken) in ihrem Workshop und berichtete dabei von Erfahrungen aus der Beratungsarbeit.

Zusammenfassung Workshop 6 Umgang mit diskriminierenden Positionen...

In der zweiten Workshop-Phase wurden einzelne Handlungsebenen, die für Demokratiebildung und Vielfaltspädagogik in der Kindertagesbetreuung besonders relevant sind, genauer beleuchtet.

Die Leitungsebene und den Anspruch, vielfältige Teams demokratisch zu leiten, thematisierte Anne Ruppert (Dipl. Päd, Autorin, Coach).

>> für diesen Workshop steht leider keine Präsentation zur Verfügung

Evelyne Höhme (Institut für den Situationsansatz) widmete sich der Frage, wie die Bildungspartnerschaft mit Familien partizipativ und vielfaltsbewusst gestaltet werden kann.

Präsentation Workshop 8 Bildungspartnerschaften mit Familien

Mit Demokratiebildung verbundene Herausforderungen für Leitungen und Träger diskutierte Prof.in Dr. Raingard Knauer (FH Kiel) in ihrem Workshop.

>> Bereinigte Präsentation wird nur den Teilnehmenden per E-Mail zur Verfügung gestellt.

Die Fachberaterinnen Kari Bischof-Schiefelbein, Anke Petersen und Jessica Schuch regten mit einem interaktiven „Gedankenkabinett“ zur Diskussion über die Rolle der Kita-Fachberatung als Vermittelnde bei der Bildung für Demokratie und Vielfalt an.

>> Für diesen Workshop steht keine Präsentation zur Verfügung, da der Workshop als "Gedankenkabinett" angelegt war.

Dr. Eveline Gerszonowicz (Bundesverband für Kindertagespflege) und Silvia Deichmann-Seidel (Jugendamt Gießen) widmete sich der Frage, inwiefern Demokratie und Partizipation Themen für die Fachberatung in der Kindertagespflege sind bzw. sein sollten.

Präsentation Workshop 11 Gut beraten: Demokratie und Vielfalt ...

Zusatzpräsentation zum Gießener Weg zur Partizipation
(zum Weiterlesen; Präsentation war nicht Teil des Workshops)

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Das Bild zeigt eine U-Form mit sitzenden Personen in einem Raum mit Fenstern und Leinwand.
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Fishbowl-Abschlussrunde

Den Abschluss der Tagung bildete eine Fishbowl-Diskussion zwischen Johannes Neumann, Dr. Eveline Gerszonowicz, Astrid Grabner, Stephanie Delfs und Kari Bischof-Schiefelbein. Auch die Teilnehmenden hatten Gelegenheit, auf dem freien Stuhl auf dem Podium Platz nehmen, um selbst das Wort zu ergreifen.

Besonders intensiv wurde die Frage diskutiert, was gelingende Demokratiebildung in der Kindertagesbetreuung braucht. Neben dem Faktor Zeit wurde auch die Notwendigkeit der Begleitung und Unterstützung von Fachkräften durch Fachberatungen, aber auch durch andere Professionen, sowie das Thema Selbstfürsorge angesprochen. In der pädagogischen Praxis allgemein und bei so anspruchsvollen Themen wie Demokratiebildung und Vielfaltspädagogik im Speziellen sei Selbstfürsorge zentral, um möglicher Überforderung entgegenzuwirken. Eine Erkenntnis aus der Umsetzung der Vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung sei zudem, dass Wiederholungen von Fortbildungsinhalten in Anbetracht der hohen Fluktuation in Teams unabdingbar sind.

Aus dem Publikum wurde zudem die Forderung danach geäußert, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ins SGB VIII zu integrieren, verbunden mit dem Wunsch, sich auf künftigen Veranstaltungen stärker mit (Anti-)Diskriminierung zu beschäftigen. In diesem Zusammenhang könnte z.B. die Frage nach Beschwerdestellen für Beschäftigte gestellt werden. Einig waren sich die Diskutierenden darüber, dass wirksamer Diskriminierungsschutz eine Struktur- und Kulturveränderung in Einrichtungen und Trägern erfordert. Auch eine kritische Hinterfragung der eigenen Praxis ist notwendig, beispielsweise auch des eigenen Sprechens. So machte Dr. Eveline Gerszonowicz auf die Notwendigkeit aufmerksam, die Vielfalt der Kindertagesbetreuung auch sprachlich stärker zu berücksichtigen, und statt einengend von Kitas von Kindertagesbetreuung (die neben Kitas auch Eltern-Kind-Gruppen, Familienzentren und die Kindertagespflege mitdenkt) oder statt von pädagogischen Fachkräften von Pädagoginnen und Pädagogen zu sprechen. Es sei ratsam, allgemeinere Begriffe zu verwenden, um sprachliche Ausgrenzung zu vermeiden. Petra Wagner gab daraufhin zu bedenken, dass nicht eine allgemeinere Wortwahl, sondern im Gegenteil eine spezifischere Sprache anzuraten sei, um die bestehenden Unterschiede nicht zu verschleiern. Aus der Perspektive der Vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung sollte die Kapazität, Unterschiedlichkeit zu benennen, ausgedehnt werden. Mit Blick auf den angesprochenen Struktur- und Kulturwandel berichtete sie, dass selbst ihre eigene Organisation erst nach 18 Jahren Bestehen eine eigene Beschwerdestelle eingerichtet habe – der Weg zu einer vorurteilsbewussten, diskriminierungssensiblen Organisationsentwicklung sei also mitunter ein langer. Um solche Veränderungen anzuregen, sei der Rückbezug auf die rechtlichen Grundlagen (Kinderrechte, Menschenrecht, AGG) enorm hilfreich.

Zum Abschluss gesellte sich Franziska Porst, Projektkoordinatorin der Koordinierungsstelle „Demokratie und Vielfalt in der Kindertagesbetreuung“, zur Fishbowl-Runde, um einige Abschlussworte aus Sicht der Veranstalterin zu formulieren. Sie dankte den Referierenden und den Teilnehmenden für ihre engagierte Mitwirkung an der Tagung und zeigte sich beeindruckt über die Intensität der Diskussionen. Atmosphärisch hätten in ihrer Wahrnehmung zwei Pole die Debatten geprägt: einerseits die Forderung nach einer gewissen Leichtigkeit und Gelassenheit im Umgang mit Demokratie und Vielfalt und andererseits eine große Ernsthaftigkeit bei der Beschäftigung mit so schwierigen, weil politischen Themen. Es sei deutlich geworden, dass die Beschäftigung mit Demokratiebildung und Vielfaltspädagogik enorm gewinnbringend sei, aber auch die eine oder andere „Zumutung“ für Fachkräfte bereithalte, weil sie Fehlerfreundlichkeit genauso erfordere wie die Bereitschaft, sich und die eigene Praxis zu hinterfragen, sich irritieren zu lassen und Unsicherheiten auszuhalten. Es sei deutlich geworden, dass es dafür mehr Reflexionsräume brauche. Hier setze das Kooperationsprojekt an, indem es eine Austauschplattform schaffe und Materialien zur Verfügung stelle, die sowohl informieren als auch irritieren sollen. Nicht zuletzt könne das Kooperationsprojekt durch das trägerverbandsübergreifende Engagement für Demokratie und Vielfalt wichtige Impulse für die angesprochene Struktur- und Kulturveränderung in der Kindertagesbetreuung geben. Franziska Porst lud die Teilnehmenden ein, sich auch in die weitere Projektumsetzung einzubringen und ihre Erwartungen an die Weiterentwicklung des Projekts zu formulieren.

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