Wie wir sprechen

Gruppe von Kindern mit einer Erzieherin. Sie sitzen im Halbkreis um ein auf dem Boden liegendes Bild. Sie schauen auf das Bild. Im Hingergrund hängen bunte Zeichnungen an der Wand.
©BraunS/iStock

Ein Aufnahmegespräch in einer Kita in Berlin-Moabit: „Wir sind eine ganz offene, bunte Kita. Ich sage immer: Wir haben hier unsere ‚Schokoladenkinder‘, unsere ‚Cappuccino-Kinder‘ und natürlich Kinder wie Ihres.“ Die wohlmeinende Kitaleiterin, die mit diesen Worten für Ihre Einrichtung wirbt, setzt sich mit ganzer Kraft für eine im Sozialraum verwurzelte und Begegnungen von ganz unterschiedlichen Kindern und Familien fördernde Einrichtung ein und würde jede diskriminierende Absicht weit von sich weisen. Und trotzdem ist die Apostrophierung von Kindern entsprechend der Farbe ihrer Haut problematisch.

Ausgehend von diesem Beispiel soll es in diesem Schwerpunkt um Sprache gehen – ein Thema, mit dem auch die Koordinierungsstelle in den letzten Wochen und Monaten seit dem Erscheinen des letzten Newsletters verstärkt konfrontiert war. Dabei ist deutlich geworden, dass die Frage danach, wie wir sprechen und welche Begriffe wir verwenden, um die Vielfalt von Menschen zu beschreiben, zwingend Teil einer Auseinandersetzung mit früher Demokratiebildung und Vielfaltspädagogik sein muss.

Sprache ist kein neutrales Mittel zur Beschreibung der Wirklichkeit, sondern ein machtvolles Instrument: Sie transportiert immer Bewertungen und Vorstellungen darüber, welcher Wert und welche Position den Menschen, über die geredet wird, in der Gesellschaft zugesprochen werden. Sprache formt damit Realität, und wenn wir sprechen, dann handeln wir auch. Zu einer diversitätsbewussten, inklusiven Arbeit gehört also auch, darauf zu schauen, wie wir „sprachlich handeln“. Welche Begriffe benutzen wir, um Unterschiede zu benennen? Wo verwenden wir ausgrenzende, verletzende, herabwürdigende oder lächerlich machende Worte, schreiben Personengruppen negative, stereotype Eigenschaften zu oder schließen durch Nichtnennung aus? Ist das Augenmerk einmal darauf gerichtet, wird deutlich, wie sehr unsere Sprache durchzogen ist von sprachlichen Ausschlusshandlungen. Oft passieren diese unbewusst und unüberlegt, so wie in dem oben genannten Beispiel, – sie sind aber trotzdem nicht weniger verletzend. Diskriminierung geschieht nicht nur durch kalkulierte (sprachliche) Ausgrenzung, sondern auch dann, wenn Äußerungen ohne (bewusst) diskriminierende Absicht erfolgen. Deshalb muss auch hier ganz genau und ehrlich hingeschaut werden.

Wir haben zuletzt auf unserer Fachtagung, die am 13./14.11.2018 in Berlin stattgefunden hat, erfahren, wie notwendig und erhellend es ist, genau hinzuschauen: Dort wurde nämlich die Verwendung bestimmter als ausgrenzend empfundener Begriffe – obwohl nicht explizit Thema – an verschiedenen Stellen problematisiert und dabei ein großer Reflexionsbedarf deutlich. Es wurde beispielsweise darauf hingewiesen, dass das Wort „Farbiger“, obwohl es noch immer weitverbreitet ist und häufig ohne diskriminierende Absicht verwendet wird, ein kolonialistisch geprägtes Wort ist. Daran anknüpfend wurde in einem Workshop darauf hingewiesen, dass das häufige Sprechen über Afrika als „ein Land“ unser postkoloniales Denken entlarvt und der Vielfalt afrikanischer Staaten und Menschen nicht gerecht wird.

Sprachliche Ausschlüsse können sich aber auch anders manifestieren: So kritisierte eine Vertreterin des Bundesverbandes für Kindertagespflege in der Abschlussrunde, dass statt des Begriffs „Kindertagesbetreuung“ häufig die Bezeichnung „Kitas“ verwendet wird, in der Tagespflegestellen, Eltern-Kind-Gruppen und Familienzentren nicht mitgedacht werden. Der im Fachjargon beliebte Begriff „pädagogische Fachkräfte“ schließe zudem all jene Nicht-Fachkräfte aus, die pädagogisch arbeiten, so etwa viele Tagespflegepersonen. An der Frage nach dem richtigen Umgang mit solchen sprachlichen Ausschlüssen und Verkürzungen schieden sich – zumindest bei der Fachtagung – die Geister: Während einerseits dafür plädiert wurde, allgemeinere Begriffe zu verwenden, um sprachliche Ausgrenzung zu vermeiden, wurde von anderer Seite zu bedenken gegeben, dass nicht eine allgemeinere Wortwahl, sondern im Gegenteil eine spezifischere Sprache anzuraten sei, um die bestehenden Unterschiede nicht zu verschleiern.

Fest steht in jedem Fall: Die Etablierung einer diskriminierungssensiblen Sprachpraxis – erst recht als Teil einer vielfaltsbewussten Organisationsentwicklung – ist ein langer Prozess. Viele Begriffe sind umkämpft und „das richtige Wort“ existiert nicht per se. Häufig ist es kontextabhängig, ob ein sprachlicher Ausdruck als diskriminierend wahrgenommen wird. Eine Sprache der Vielfalt bemüht sich daher weniger um eine immer „politisch korrekte“ Ausdrucksweise, sondern mehr um einen bewussten Umgang mit Sprache – als Teil eines diversitätsbewussten pädagogischen Handels. Dazu gehört auch, Menschen mit Diskriminierungserfahrungen nach der Wirkung von bestimmten Wörtern zu fragen und ihre Antworten ernst zu nehmen. Ebenso erfordert der diskriminierungssensible Umgang mit Sprache die gleiche Fehlerfreundlichkeit und Reflexionsbereitschaft, wie die Auseinandersetzung mit anderen Facetten des Themenfeldes „Demokratie und Vielfalt in der Kindertagesbetreuung“ auch.

Folgende Materialien enthalten Hilfestellungen für eine Beschäftigung mit der eigenen Sprachpraxis:

  • Glossar der Neuen deutschen Medienmacher für die Einwanderungsgesellschaft: Eigentlich für Journalistinnen und Journalisten entwickelt, enthält das jüngst aktualisierte Glossar auch für die pädagogische Praxis hilfreiche Anregungen, Alternativbegriffe und Empfehlungen. Das thematisch und alphabetisch sortierte Material gibt es nicht nur online, als PDF und als Broschüre, sondern auch direkt als App für das Smartphone.
     
  • Empfehlungen des AWO-Bundesverbandes für vielfaltssensible Sprache: Die Publikation zeigt, wie die mit Gleichstellung, Inklusion und Vielfalt verbundenen Organisationsentwicklungsprozesse in Sprache, Schrift und Bild sichtbar werden können. Nach einer kurzen Einführung in vielfaltssensible Sprache gibt das Papier konkrete Anregungen zu den fünf Bereichen Geschlechtergerechte Sprache, Rassismuskritische Sprache, Diskriminierungssensible Sprache im Hinblick auf Behinderung, Leichte Sprache und Vielfaltssensible Bildgestaltung.
     
  • Darüber hinaus regt auch der Ansatz der Vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung der Fachstelle Kinderwelten im Rahmen einer grundsätzlichen Reflexion der eigenen Vorurteile zu einer Hinterfragung der eigenen Sprachpraxis an. Das in der Fachstelle angesiedelte Projekt „KiDs – Kinder vor Diskriminierung schützen!“ stellt Anregungen für eine diskriminierungssensible Praxis zur Verfügung, so u.a. der halbjährlich erscheinende Infobrief KiDs aktuell.